WAZ 23.09.2006

Barock-Begriff längst aufgearbeitet

Oberbürgermeister Frank Baranowski hat seinen Frieden geschlossen mit dem damals denunzierenden Möbel und Bauthema im Revierklischee

"Mir ist es überhaupt nicht egal, wie sich Gelsenkirchen als Stadtarchitektur gibt. Ich kenne schöne, ich kenne aber auch schäbige Stellen, die ich am liebsten sofort ausradieren möchte." Frank Baranowski, erster Bürger dieser Stadt, geht und fährt mit offenen ("und kritischen") Augen durch Straßen, Plätze, Märkte, Baukomplexe und Freizeiteinrichtungen."Ich stelle immer wieder fest: Gelsenkirchen wandelt sich rasant." Nur in einem Punkt scheint Stillstand zu herrschen: beim Hans-Sachs-Haus ...

Baranowski will dieses "Hauptsorgenkind" demnächst in Angriff nehmen. Zunächst beraten Experten über die Chancen und baulichen Akzente des "Zentrums für alle Bürger". Dazu müssten Fragen wie "Brauchen wir eine Verwaltungsmitte an dieser Stelle? Wie könnte eine Alternative aussehen? Wie lässt sich die Achse Musiktheater/HSH/Bahnhofstraße neu, freundlicher, attraktiver gestalten? Wo entsteht ein Veranstaltungssaal für etwa 1000 Plätze? Eingebunden in das HSH-Konzept oder an externem Ort?" Am 26. Oktober werden die Vorschläge der eingeladenen Architekten zu diesem Thema präsentiert: "Das stößt die Diskussion mit neuer Qualität an," hofft er.

Baranowski, 44, sucht deshalb den kurzen Draht zu Architekten, zu Stadtentwicklern, zu Experten der urbanen Zukunft. "Ich habe gelernt, Architektur umfassend zu begreifen - sie ist prägend für das Wohlfühlen der Menschen, für die Lebensqualität, für die Identifikation mit dem konkreten Umfeld. Gute, interessante, einladende und kommunikative Architektur fördert unsere Tagesstimmung, die Bereitschaft zum Engagement für die Heimatstadt."

Gerade auch angesichts der demografischen Prognosen für Gelsenkirchen begreift er "Architektur und Stadtplanung als Chance". Schloß Horst, THS-Gebäude auf Nordstern, Consol-Areal, die "wunderschönen, sanierten Fassaden" beim alten Häuserbestand in fast allen Stadtteilen ("Ich wohne in Horst und sehe dort die Bemühungen um eine Verbesserung, aber auch der Friedhof dort dient mir als Oase der Innerlichkeit"), die Neubewertung von Industriebrachen nebst Gebäuden, das Musiktheater, das "Geist und Kraft und Kunst ideal verknüpft", Plätze zum Verweilen in fast allen Stadtteilen, die Gelsenwasser-Zentrale, einige neue Bürohäuser, der umgebaute Bunker an der Arminstraße, Kirchen - "Gelsenkirchen muss sich mit seiner Architektur nicht verstecken."

Und was ist mit dem herablassenden Begriff des "Gelsenkirchener Barock"? Baranowski hat auch damit kein Problem: "Das war ein Zeitphänomen. Wir haben das Thema, wie ich meine, seriös und klug aufgearbeitet. Damit haben wir Gelsenkirchener beweisen können, dass wir nicht beleidigt zurückzucken, wenn dieser Titel irgendwo auftaucht."

Gelsenkirchen, so seine Meinung, müsse "mit dem, was da ist, und vielen Vorzeige-Modellen" selbstbewusster umgehen: gerade im Bereich des Stadtbildes. "Für mich das Wichtigste: Wir brauchen neben Ruhe- und Verweilorten, die wir noch mehr pflegen sollten, eine City-Mitte - ein Herz für die Stadt." Und er schließt sofort offene Fragen zu diesem Wunsch an: Was wird mit dem Amtsgericht an der Overwegstraße, was mit dem Versorgungsamt in enger Nachbarschaft?

Der OB sieht den Wandel durch Architektur und den Wandel bei der Architektur: als positive Entwicklung. "In Richtung Kulturhaupstadt 2010 wäre dieser Bereich ein Pluspunkt für Gelsenkirchen, wenn wir bis dahin einige Dreckecken verschwinden lassen könnten und sie durch gutes Bauen ersetzen."

23.09.2006 Von Hans-Jürgen Loskil




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